DRINKS OF THE ROARING TWENTIES Bar Schöneberg Berlin

DRINKS OF THE ROARING TWENTIES

Berliner Trinkkultur: Spirituosen mit Geschichte

Gin, Vodka, Korn, Likör – seit circa 1o Jahren steigt die Zahl und Vielfalt der in Berlin produzierten Spirituosen. Eine junge Brenner-Generation macht Berlin wieder zu dem, was es einmal war: Eine Stadt mit auffälliger Vorliebe fürs Trinken. Mehr als 300 Destillerien soll es um 1900 gegeben haben. Und das Berlin der 20er Jahre war besonders durstig: In den Tanzlokalen, Bars und Revue-Theatern der Stadt trank, feierte und tanzte man genauso ausgelassen durch die Nächte wie in Paris, London und New York.

Förmlich können wir den Rauch der viel zu langen Zigaretten riechen, die Jazz-Band und die Absätze der Charleston-Tänzerinnen auf dem Parkett hören. Wir sind uns sicher: Die Berliner rauschten mit einem ordentlichen Schwips und mit Stil durch die Goldenen Zwanziger. Aber welche Spirituosen hatte die feiernde Meute in ihren Gläsern? Und wie kann man heute noch so authentisch wie möglich die Drinks der Wilden Zwanziger genießen? Am Tresen der Salut! Bar in Schöneberg beantworten uns Dejan Spasovski und sein Team diese Fragen.

DIE SALUT! BAR HAT EIN KLARES KONZEPT: KLASSISCHE DRINKS IM ART DÉCO- UND JUGENDSTIL-AMBIENTE. MACHEN WIR ALSO EINE ZEITREISE ZURÜCK INS BERLIN DER ZWANZIGERJAHRE. WAS TRINKEN WIR?
Berlin ist damals nicht wirklich eine internationale Hochburg für Cocktailkultur gewesen. Getrunken wurden mehrheitlich amerikanische Klassiker, wie Martini, Old Fashioned, Martinez und Cobbler-Varianten. Eine von wenigen Rezepturen aus der Zeit ist die „Berliner Luft“. Den Drink hat Thorsten Pannek – ein bekannter Berliner Bartender – für uns recherchiert:

  • 2 cl Gilka Kaiser-Kümmel
  • 4 cl Mampe Halb & Halb
  • 2 cl Asbach Weinbrand 8 Jahre
  • Zubereitung: „Det janze uf Eis rühren und ab ins Glas. Mit Orangenzeste abspritzen“

MAMPE HALB & HALB UND GILKA KAISER-KÜMMEL GEHÖREN ZU DEN ÄLTESTEN BERLINER SPIRITUOSEN, DIE ES HEUTE NOCH GIBT.
Mampe Halb & Halb gibt es seit 1852. Der Spirituosenhersteller versorgte in den 20er Jahren ganz Berlin nicht nur mit dem Bitterlikör, sondern auch mit Gin und Vodka. Auch der Kaiser-Kümmel hat eine lange Tradition und es gibt ihn nach wie vor. Er wird z. B. für einen Berliner Cocktail der Neuzeit verwendet. Thorsten Pannek hat 2009 den „Berlin Sour“ kreiert, der auch im Difford‘s Guide zu finden ist:

5 cl Gilka Kaiser-Kümmel
2 cl Maraska Maraschino
2,5 cl frischer Zitronensaft
1 cl Rohrzuckersirup
1 Eiweiß
Zubereitung: Alle Zutaten im Shaker fest schütteln und in ein vorgekühltes Sour-Glas abseihen.

WAS MACHT FÜR EUCH DIE TRINKKULTUR DER ZWANZIGERJAHRE AUS UND WIE SETZT IHR DAS IN EURER BAR UM?
Wir beziehen uns mit unseren Kreationen nicht nur auf dieses eine Jahrzehnt. Klassische Cocktails im eigentlichen Sinne stammen aus der Zeit von Anfang des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Während der Prohibition von 1920 bis 1933 in den Vereinigten Staaten gab es eine Blütezeit der Cocktailkultur. Die Drinks hatten zumeist wenige Zutaten, waren dabei aber komplex und anspruchsvoll, denn es wurde auf hochwertige Zutaten und die richtige Balance geachtet. Das richtige Mixen bedarf jahrelanger Erfahrung, einer geschulten Sensorik und ist durchaus mit der Arbeit von guten Köchen vergleichbar. Dies ist die Philosophie, die wir verfolgen und mit eigenen Rezepturen ausarbeiten.

EURE KARTE HABT IHR NACH DEM SPIRITUOSENGEHALT DER DRINKS – ALSO NACH DER WIRKUNG – GEGLIEDERT. GEFÄLLT UNS GUT. WAS ZEICHNET EURE DRINKS AUS?
Ja, wir gliedern unsere Karte nach der Wirkung. Aber es geht noch tiefer: Wir möchten, dass allein schon das Lesen unserer Karte Lust auf einen guten Drink macht. Dazu kommt noch die persönliche Beratung durch unsere Bartender. Wir experimentieren gerne mit außergewöhnlichen Aromen und produzieren viel selbst. So kochen wir zum Beispiel eigene Sirupe, setzen Liköre an, infusionieren Basisspirituosen und befassen uns mit der Wirkung verschiedenster Kräuter. So entstehen immer neue Variationen, oft inspiriert von Rezepturen von vor 100 bis 200 Jahren.

IM DEZEMBER 2014 HABT IHR DAS ENDE DER PROHIBITION BEI EUCH IN DER BAR GEFEIERT. EINE MOTTO-PARTY?
Ab und an lassen wir uns gerne etwas Besonderes für unsere Gäste einfallen. Das Interieur der Salut! Bar haben wir auf diese Epoche bis ins Detail abgestimmt. Wir sind Ästheten und freuen uns, wenn wir den Lebensstil dieser Zeit feiern können. Es geht hier also um ein grundlegendes ästhetisches Konzept, dass wir verfolgen und der „Repeal Day“ am 5. Dezember (Ende der Prohibition) passte perfekt, um dies mit den richtigen Drinks und Outfits zu feiern. Wir werden solche Mottoabende ab und an wiederholen.

DER GEIST DER WILDEN ZWANZIGER IST PARTYTAUGLICH. WIE KANN MAN EINE STILECHTE 20er-JAHRE-PARTY AUCH ZU HAUSE FEIERN? VERRATET IHR UNS EINEN TYPISCHEN DRINK, DEN MAN OHNE VIEL AUFWAND MIXEN KANN?
Das Wichtigste ist wohl ein Dresscode, sonst ist die Stimmung nicht authentisch genug. Gerne empfehle ich an dieser Stelle Mimi, die auch verleiht. Die passende Musik aus den 20er und 30er Jahren streamt man sich aus den bekannten Portalen – Compilations gibt es zur Genüge. Als typischstes Getränk darf Champagner nicht fehlen. Es gibt durchaus trinkbare Produkte für 15-20 Euro. Ansonsten rate ich jedem, sich auf Privatpartys keinen Stress mit geshakten Drinks zu machen. Besorgt euch ein Rührglas und einen Rührlöffel, dazu noch einen Strainer, der beim Abgießen die Eiswürfel zurückhält. Es ist weniger aufwendig, sich Rezepturen zu widmen, bei denen die Zutaten lediglich mit Eis kalt gerührt und anschließend in das Cocktailglas gegossen werden.

IN WELCHE BAR GEHT IHR, WENN IHR EINMAL NICHT IN DER SALUT! BAR SEID? UND WAS TRINKT IHR DORT?
Am Wochenende empfehlen wir unseren Gästen den Rum Club in der Apostel-Paulus-Straße 35 in Schöneberg, das ist quasi ums Eck. Unter anderem kann man mehrere Hundert Rumsorten entweder pur oder vermixt genießen. Eine erlesene Auswahl an Zigarren rundet das ganze passend ab. Dirk Becker ist inoffizieller Rumbotschafter und betreibt auch das Rum Depot, einen Spirituosenfachhandel mit hochwertigen und seltenen Produkten, wobei ein starker Akzent auf Rum gesetzt wird.

Berauscht gehen wir aus der Salut! Bar und sind jetzt Fans der 20er Jahre. Nicht nur die Drinks, auch die Musik macht uns gute Laune. Und noch schöner wird sie, wenn man sich dazu bewegen kann. Bei SwingStep Berlin – Jeder ist Tanzbar könnt ihr immer Montags in einer Drop In Beginner Class spontan einsteigen. Tanzt, Tanzt, Tanzt!

Text: Anne Mörtl und Daniela Walz
Kamera: Philipp Grieß
Schnitt: Firas Sabbagh
Sound: Bruno Chaouch
Tänzer: Anna Clausnitzer und Oliver Fuhrmann

Foto: Timeline images
Foto: Berliner Luft, 2015 © Ramtin Zanjani; courtesy of Saint Monday Magazine
Foto: Salut! Bar, 2015 © Philipp Grieß; courtesy of Saint Monday Magazine

(Saint Monday / 06/2015)

1200 890 Salut Bar
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